Ob neue Modelle von Mercedes-Benz und Setra oder neue Komponenten für die beiden Marken: Jede Innovation wird zuvor ausgiebig erprobt. Antriebe müssen sich bei Hitze und Kälte beweisen - Fahrwerke bei niedrigem und hohem Reibewert der Fahrbahn. Vieles lässt sich heute rechnerisch simulieren oder auf Prüfständen unter die Lupe nehmen. Praktiker jedoch wissen: Die Realität unterscheidet sich stets vom Rollenprüfstand. Deshalb werden unsere Busse unter extremen Bedingungen getestet.

Andreas Dingler, Versuchsingenieur mit Leib und Seele, ist bei den Erprobungen stets dabei: Die Extremtemperaturtests finden im Winter in Arvidsjaur (Schweden) oder Rovaniemi (Finnland) am Polarkreis statt und im Sommer in Granada (Spanien) oder Mailand (Italien). Langstreckenerprobungen hingegen werden an der syrischen Grenze oder in Ost-Anatolien (Türkei) absolviert.

Name: Andreas Dingler
Werdegang: Schule, Bundeswehr und Studium (Dipl.-Ing. Maschinenbau) in Ulm. Seit 1996 für EvoBus tätig.
Hobbies: Schwimmen, Motorrad fahren
Lebensmotto: Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe.
Aufgabengebiet: Leitung Versuch Integralbus

Herr Dingler, vom Polarkreis bis in die Türkei, Sie sind also sehr viel unterwegs, oder?

Andreas Dingler: "Ja, das stimmt. Aber nicht nur zu den Härtetests. Ich habe ein 100 Mann starkes Team an zwei Standorten: In Neu-Ulm und in Mannheim. Ich bin also sozusagen ein Kind der Autobahn. Diese Mobilität ist auch bezeichnend für die Tätigkeit in der Fahrzeugerprobung."

Was war das Highlight Ihrer beruflichen Laufbahn?  

Andreas Dingler: "Der Midibus Tourino hat meine berufliche Laufbahn begleitet. Ich habe das Fahrzeug konzipiert und entwickelt, schließlich kam es zur Erprobung und zur Produktion. Vom ersten Pinselstrich an war ich für dieses Fahrzeug verantwortlich – letztlich sogar bei der Einstellung der Produktion."

Während des Aufenthalts in Skandinavien bei minus 35° Celsius sind nicht nur die Omnibusse, sondern auch Sie und Ihr Team stark gefordert. Reicht Ihnen dieses Pensum an Schnee und Winter aus oder machen Sie auch privat gerne Winterurlaub?

Andreas Dingler: (lacht) "Das reicht dann definitiv. Ich bin auch eigentlich eher ein Sommermensch!"

Trotz Schnee, Eis und Temperaturen weit unterhalb des Gefrierpunkts zieht es die Ingenieure, Mechaniker und Fahrer des Versuchs von EvoBus bzw. Daimler Buses mit den Marken Mercedes-Benz und Setra von Januar bis März in den Winter des hohen Nordens. Doch machen Sie sich selbst ein Bild über die extremen Bedingungen…

Am Polarkreis liegt das Mekka des Versuchs von EvoBus bzw. Daimler Buses

Arvidsjaur und Arjeplog in Schweden sowie Rovaniemi in Finnland bilden das Mekka der harten Tester. In den drei Städten Lapplands gibt es Testareale für Antrieb, Fahrwerk, Komponenten und Material wie nirgendwo anders.

Die beiden Städte auf dem 65. und 66. Breitengrad liegen knapp unterhalb des Polarkreises und sind seit vielen Jahren ein wichtiges Winterziel des Versuchs von Daimler Buses. Hier stehen vor allem Fahrdynamiktests auf den zugefrorenen Seen bei Arjeplog auf dem Programm. Bei Kreisfahrten auf definierten Eisflächen muss sich zum Beispiel das elektronische Stabilitätsprogramm ESP unter Extrembedingungen bewähren.

Spezialisierte ortsansässige „Icemaker“ präparieren für die Tests neuer Omnibusse und deren Komponenten maßgeschneiderte Fahrbahnen. Ganz nach Wunsch und Arbeitsprogramm der Tester gibt es aufgeraute Fahrspuren, eisglatte Strecken und mit einem feinen Wassernebel bedeckte, nahezu unpassierbar glatte Bahnen. Eine perfekte Voraussetzung für Testfahrten unter immer gleichen Bedingungen.

Unter der meterdicken Eisdecke der Seen lauern teils mehr als 200 m tiefe Gewässer. Trotzdem besteht keine Gefahr, da sich die disziplinierten Versuchsfahrer stets an die vorbereiteten Pisten halten: Das Eis ist für ein Gewicht von bis zu 40 Tonnen freigegeben. 

Interne Vorgabe: perfekte Funktion bis minus 25 Grad Celsius

Die internen Vorgaben sind ambitioniert: Sämtliche Funktionen eines Omnibusses von Mercedes-Benz und Setra müssen sicher bis zu einer Außentemperatur von minus 25 Grad Celsius gewährleistet sein, einige Funktionen sogar bis minus 40 Grad Celsius. Als Einschränkung akzeptiert wird zum Beispiel, dass das Zentraldisplay im Cockpit nicht sofort startbereit ist. Auch die Reihenfolge der grundsätzlichen Funktionen ist vorgegeben: Zuerst der Motor, dann alle wesentlichen Komponenten rund um den Fahrerplatz, dann der Fahrgastraum – Sicherheit und Funktionssicherheit geht bei einem Omnibus von Mercedes-Benz und Setra stets vor.

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