"Modern, klar und einladend"

11. Juli 2018

Interview mit Stefan Handt, Leiter Design Daimler Buses, zum neuen Design des eCitaro.

Herr Handt, zum Einstieg: Wie würden Sie das Design des eCitaro mit drei Worten beschreiben?

Modern, klar und einladend.

Seit März dieses Jahres sind Sie Design-Chef von Daimler Buses. Hatten Sie überhaupt die Gelegenheit, das Design des elektrischen Citaro mitzugestalten?

Ja, ich bin noch relativ frisch in meinem Amt. Doch seit November 2017 war ich schon ein bis zwei Tage die Woche im Design von Daimler Buses und konnte so auch noch am Design des eCitaro mitwirken. Ich kann mich also daneben stellen und sagen, dass die Arbeit, die Jörg Albers und das übrige Design-Team gemacht haben, erstklassig ist und auch ich noch meinen Anteil daran habe.

Was macht aus Ihrer Sicht das Design des eCitaro aus?

Das Besondere an dem Fahrzeug ist, dass es ein ganz klar umrissenes Design besitzt. An der Front gibt es eine große schwarze Fläche, wo das Glas in die Bugklappe übergeht. Das wird gefasst von einem Rahmen, der sich bis ins Heck fortsetzt. So umschlingt optisch ein „Band“ den ganzen Bus. Dadurch wirkt er sehr modern. Er ist aber in keinem Fall modisch, sondern besticht mit seiner Zeitlosigkeit.
Was mir auch sehr gut gefällt, ist, dass die Markenidentität so deutlich ausgeprägt ist. Man sieht, dass es ein Mercedes ist. Die Zierelemente neben dem großen Stern an der Front sind auf eine sehr moderne Weise interpretiert. Außerdem unterscheidet er sich deutlich z. B. von einem herkömmlichen Citaro. Das heißt, dass auch die Kommunen und die Verkehrsbetriebe damit eine ganz klare Botschaft zum Ausdruck bringen können: ‚Wir denken an die Zukunft! Wir sind elektrisch unterwegs!‘
Darüber hinaus ist der neue eCitaro ein Stück mobile Architektur – er ist offen und transparent und somit sehr einladend.

Was ist Ihr persönliches Design-Highlight des Busses?

Für mich ist es eindeutig die Front. Sie hat viel Finesse. Außerdem gibt es Dinge, die man auf den zweiten Blick entdecken kann. Das mag ich gern. An der Front sind es beispielsweise die Zierelemente neben dem Stern. Das sind transparente Körper, die rückseitig bedampft, also verchromt sind. Dadurch ergibt sich ein ganz besonderer Zauber. Aus jeder Perspektive wirkt es ein wenig anders – je nachdem, wie das Licht steht.

Sie haben gerade gesagt: Der eCitaro wirkt von außen sehr einladend. Ist dies auch im Komfort zu spüren?

Aus meiner Sicht kann das Design auch hier in jedem Fall unterstützen, dass der Bus komfortabel erscheint und es auch ist. Zunächst durch die rein optische Wirkung. Durch die neue Innendecke wirkt der Bus deutlich geräumiger und vor allem aufgeräumter. Das führt dazu, dass man auch Platz hat, sich mit dem Auge regelrecht auszuruhen. Das Interieur wird so nicht durch zu viele Details überflutet, sondern besitzt eine gewisse Ruhe. Ich durfte auch schon mitfahren und es ist wirklich begeisternd, wie der Bus selbstverständlich und leicht fährt. Es ist ein geschmeidiges Dahingleiten. Und das spürt man letztlich auch im Komfort.

Spiegelt sich das geräuschlose Fahren oder auch die Tatsache, dass es ein Elektrobus ist, konkret im Design wider?

Im Exterieur spiegelt es sich schon sehr stark wider. Im Interieur natürlich erstmal weniger. Aber im Exterieur ist es sehr deutlich durch die Klarheit und ’Sauberkeit‘ des Designs zu sehen. Das unterstützt das Thema Elektro.

Kommen wir noch einmal auf das Interieur zu sprechen. Abgesehen von der Innendecke ist z. B. die Sitzanordnung sehr klassisch. Hätte man da – ähnlich wie beim Future Bus – nicht noch radikaler sein können?

Das ist richtig. Für mich ist das aber erst ein nächster Schritt. Dabei muss man sich überlegen, wie man alternative Innenraumkonzepte anbieten kann. Im Moment werden von den Verkehrsbetrieben auch nur klassische Konzepte nachgefragt. Zunächst stellt die neue Technik die Kunden schon vor neue Herausforderungen. Die Frage ist, was man denen zumuten will. Wenn neben der Technik auch sonst noch alles anders ist, kann es auch zu viel sein.
Wir haben uns zum Beispiel bewusst dagegen entschieden, einen neuen Fahrerarbeitsplatz zu gestalten, der anders aussieht. Einfach auch aus dem Grund, weil der Fahrer sich ein Stück weit zu Hause fühlen oder das, was er kennt, wiederfinden muss. Gerade wenn eine neue Technologie eingeführt wird, gibt es eine gewisse Faszination, aber durchaus auch eine Angst davor. Es ist einfach etwas Neues.

Wie kann man sich die Arbeit eines Designers vorstellen? Wie wird ein neues Design wie das des eCitaro entwickelt?

Für uns als Designer ist es wichtig, dass man die Dinge zuerst erträumt. Es ist so ein bisschen wie die Schauspielerei. Man muss sich erst einmal in die Rolle hinein versetzen: Was ist das für ein Bus? Wer fährt damit? Was sind das für Menschen? Wie sieht die Stadt aus? Und dann ergeben sich Bilder im Kopf. Diese muss man wiederum scharf stellen. Es ist wie eine Art Trichter – man muss versuchen, von der Breite in die Spitze zu kommen.
Auf diesem Weg sind alle mitzunehmen. Es bringt nichts, das Design anzufertigen und anschließend zu präsentieren, d. h. man muss die Gedanken der Designfindung auch mit anderen teilen und Meinungen anderer einholen. Es ist ganz spannend zu sehen, wie Dinge in Frage gestellt werden und daraus eventuell wieder etwas ganz Neues entsteht.
Außerdem bin ich davon überzeugt, dass bei jeder Art von Entwicklung und somit auch im Design die Bereitschaft schnell zu scheitern wichtig ist. Erst so kommt man zu den wirklich neuen Dingen, verschiebt die Grenzen des Möglichen.

Und noch eine ganz andere Frage zum Abschluss: Wenn Sie nicht Chef-Designer beim Daimler Buses wären, was wären Sie dann?

Das ist eine schöne Frage (lacht). Bevor ich Designer geworden bin, hatte ich zwei Berufswünsche. Zuerst wollte ich Rallyefahrer werden. Meine Mutter sagt, dass ich es irgendwie doch geworden bin, aber das ist ein anderes Thema (lacht wieder). Dann wollte ich Pilot werden, aber der Gedanke dies beim Militär oder einer Luftfahrtgesellschaft zu tun war irgendwie dann doch nicht so meins. Dadurch war es für mich ganz selbstverständlich, ich werde Designer. Wenn ich jetzt nicht Designer wäre und quasi damit aufhören müsste – ich glaube das ginge gar nicht. Man bleibt dabei. Ich hätte Lust, Motorräder umzubauen, aber dann würde ich letztendlich ja auch gestalten. Aus diesem Grund weiß ich es, ehrlich gesagt, gar nicht. Es ist schon alles ganz richtig so.

Herr Handt, vielen Dank für das Gespräch!

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